25-Jahre Maueröffnung
11. November 2014 Pressevideo
Eine Wanderfahrt entlang der ehemaligen Grenzanlagen
25 Jahre Mauerfall am 09. November - für uns Ruderer hieß das auch: 25 Jahre Wiederherstellung von Deutschlands (Europas? der Welt?) schönstem Ruderrevier in und um Berlin. Seit einem Vierteljahrhundert können sich die Mitglieder von 90 Berliner und Brandenburger Rudervereinen wieder frei auf dem Wasser bewegen - keine Mauer, kein Stacheldraht und kein schußbereiter Posten am Ufer, keine Sperrtore, Ketten und Sperrvorrichtungen im Wasser.
Die Aktiven vom Ruderclub Kleinmachnow Stahnsdorf Teltow e. V. (RCKST) haben das auf ihre Art gefeiert: drei Tage rund um Berlin!
Am Freitagnachmittag (07. November) ging es los: zehn Rudernde, männlich und weiblich, im Alter von zwölf bis siebzig, fuhren mit ihren Booten durch die Machnower Schleuse den Teltowkanal hoch - ab 'Real' (in Teltow) bzw. 'Augustinum' (in Kleinmachnow) Grenzgewässer, bis 1989 für Normalsterbliche ein unzugänglicher (und allzu oft tödlicher) Bereich.
Lange nach Einbruch der Dunkelheit sind wir am Ziel bei der Rudergemeinschaft Wiking in Neukölln - ein großzügiges Nachtquartier mit Selbstverpflegung, ein langer Abend, dabei an die Älteren immer wieder die Frage "wo warst Du am 09. November 1989? an die Jüngeren die Frage: "kannst Du Dir vorstellen, wie das hier früher war? nein, das ist zu viel verlangt, das kann man sich nicht vorstellen!
Das Clubhaus der RG Wiking liegt am Wasserstraßenkreuz Neukölln, an der Sektorengrenze. Hier, am Britzer Zweigkanal, wurde im Februar 1989 der 20-jährige Chris Gueffroy erschossen.
Nach ausgezeichnetem Früstück von der Wiking- Küche ging es bei traumhaftem Herbstwetter am Sonnabendmorgen weiter - vom "Westen" wieder in den "Osten" - vierzig Jahre lang "dank" der Grenzregimente 33 und 36 (GÜSt-Wasser 'Britzer Zweigkanal' und GÜSt-Straße 'Sonnenallee') ein Ding der Unmöglichkeit.
Die RCKST-Ruderer kommen zügig voran; um 11:00 h erreichen sie die Schleuse zum Landwehrkanal und genießen, während der unwillige Schleusenwart sich noch ziert (extra und letztlich ausschließlich für den RCKST hat das WSA am 08. November den Landwehrkanal freigegeben und ihn zum Wochenenddienst vergattert), die grandiose Kulisse von Osthafen, Oberbaumbrücke und Fernsehturm.
Im Landwehrkanal - wieder "im Westen" - explodieren dann die Farben. Das leuchtende Herbstlaub, überrascht flüchtende Schwäne, das Maybachufer, Kreuzberg und der Zoo: die Eindrücke überschlagen sich; manch einer vergißt fast zu rudern.
Der Abstecher ins Regierungsviertel (und damit der nächste "Grenzübertritt") muß leider ausbleiben: seit einiger Zeit darf man nur noch bis zur Moabiter Lessingbrücke rudern; das Wasser- und Schifffahrtsamt will es so. Zu gefährlich. Zu gefährlich? Britzer Zweigkanal, Spree, Landwehrkanal und wieder Spree: den Ruderern begegnet an diesem besonderen Wochenende kein einziges anderes Wasserfahrzeug, kein Frachter, kein Ausflugsdampfer, noch nicht mal einer von diesen merkwürdigen Stehpaddlern.
Schade eigentlich. Berlin ist nicht Venedig, aber: Berlin verschenkt sein Potential als Wassersportstadt.
Da der RCKST bei den Ruderern von 'PhÖnix' in Haselhorst sein zweites Nachtquartier gebucht hat, geht es dann auf dem Hohenzollernkanal ("Ein Frachter! Ein Frachter!") nach Spandau. Wir werden dort freundlich aufgenommen und einquartiert; bis es dunkel ist, sitzen wir dann mit unseren Gastgebern auf der Terrasse vor der Vereinskneipe zusammen.
Das Abendessen beim Kroaten (Mali Raj in der Gartenfelder Str. 117, 13599 Berlin, Spandau Telefon 030 3345719) ist Üppig und preiswert; allen schmeckt es, und es bekommen auch alle gleichzeitig ihr Essen. Empfehlenswert!
Am Sonntagmorgen - nach einem langen Abend im PhÖnix-Clubhaus - ist der Himmel trÜb. Aber es bleibt trocken. Die RCKSTler haben den Heimweg vor sich, nicht ohne Umwege. Unsere dÄnische Gastruderin verläßt uns bei Hevella, danach fährt der eine Vierer durch das Idyll des Spandauer "Klein-Venedig", der andere wählt die direkte Strecke die Havel abwärts.
Südlich der Pfaueninsel kreuzten früher die DDR-Patrouillenboote; heute kann man bekanntlich schnurstracks auf die Glienicker Brücke zurudern. Noch einmal genießen die Wanderruderer ihre Bewegungsfreiheit am Rande des Weltkulturerbes.
Griebnitzsee, Kohlhasenbrück, Dreilinden ... der 'Eiserne Vorhang' teilte sogar den Griebnitzsee mit seinem Villenufer in ”Osten” und “Westen”; im Teltowkanal dann die letzte ehemals hermetisch abgeriegelte "GÜSt" (Grenzübergangstelle) - mittlerweile ein friedlicher Campingplatz, dessen Gäste uns wie immer zuwinken. 89 Kilometer in zweieinhalb Tagen; für engagierte Wanderruderer eigentlich keine Herausforderung. Vor 1989 aber: zwei Welten.
Wenn wir uns etwas wünschen dürfen: macht es möglich, auch einmal durch Berlin-Mitte zu rudern, am Reichstag und an der Museumsinsel vorbei! So utopisch wie seinerzeit der Mauerfall? Vielleicht hat die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung mal ein Einsehen, so etwa zum 09. November 2039?
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