Von Bergtouren, üppigen Speisezetteln und anderen Vergnügungen
Am 18. August starteten 17 Ruderer (und solche, die es vielleicht werden wollen) ausnahmsweise mal nicht mit ihren Booten, sondern schnürten sich ihre Bergstiefel, um die Welt aus der Vogelperspektive zu betrachten. Ziel der Reise nach 850 Autobahnkilometern war Gössenberg, ein winziges Dorf hoch oben über Schladming (Österreich). Dort auf dem Loipoldhof bei Familie Walcher sagen sich die Füchse „Gute Nacht“ - und die zahlreichen Ziegen, Kühe, Hühner, Hunde, Schweine, Hasen und Katzen wohl auch, aber das ist nicht weiter schlimm, entschädigt den Gast doch jeden Morgen ein phänomenaler Blick auf eine fast kitschig anmutende Postkartenidylle: Das Dachsteingebirge liegt sozusagen vor der Haustür. Doch das sollte vorerst nicht unser Ziel sein – zum Glück.
Wir beschränkten uns anfangs auf „harmlose“ Touren (wie Marlies immer betonte) und die Stefan, unser Bergführer, so schien es, bereits im Schlaf „wandeln“ könnte. „Nur“ 800 Höhenmeter waren beispielsweise zu überwinden, bevor uns ein Blick durch die Silberkarklam belohnte. Vorbei ging es an schmalen Wegen und über „Hühnerleitern“ durch die Klam. Wasser kam an diesem Tag leider von überall: das meiste von oben. Neben uns donnerte ein Bergfluss in die Tiefe. Glücklicherweise gab es auch bei dieser Tour einen Zwischenstopp in einer der wunderbaren Berghütten (Silberkarhütte), wo selbstgemachte Buttermilch, Kuchen und herzhafte Suppen den Wanderer wieder zu Kräften kommen lassen. Das „Highlight“ des Tages war ein Besuch in der Lodenfabrik, wo man Faltenröcke, Taschen und Trachtenjumper anprobieren konnte (man konnte es aber auch lassen ;-) Interessant waren die Maschinen, die Wolle walken, filzen und spinnen konnten allemal – wenn nur diese haarsträubende „Mode" nicht gewesen wäre ...
Zum Glück hatte die Sonne die folgenden Tage ein Einsehen mit uns (und wir konnten weiterhin in T-Shirt und Fleece wandern und mussten keine wollenen Unterhosen kaufen). Kochofen und Giglachhöhenweg verlangten uns eine ordentliche Portion Ausdauer ab. Nur Thomas auf seinen fünf Jahre alten Beinen schien niemals zu ermüden und wanderte meistens in der vorderen Gruppe. Aber zu diesem Zeitpunkt waren auch wir anderen schon gut trainiert: Die Waden schmerzten (fast) nicht mehr und die Beine hatte ihre puddingartige Konsistenz auch wieder verloren. „Ach, jetzt ist es nur noch harmlos“, hörte man immer mal wieder Marlies' geflügeltes Wort. Dass „harmlos“ so anstrengend sein kann ...
Glücklicherweise sorgten die Walchers für unser leibliches Wohl, dass kaum ein Wunsch offenblieb: Braten und Fisch, Salate und Süßspeisen, Suppen und Nudeln erfreuten das Wandererherz und ließen alle Anstrengungen verblassen – bis zur nächsten Wanderung. Zuvor wollten aber auch die Armmuskeln trainiert werden: Esther, Elias, Patrick, Levon, Sandro, Mohsen und Jörg lieferten sich allabendlich ein wildes Tischtennis-Match. Die anderen maßen sich (manchmal) beim Biergläser-Stemmen...
Als nächstes stand die Steirische Kalkspitze auf dem Programm – harmlose 1000 Höhenmeter – wer hätte das gedacht!? Doch plötzlich war man mittendrin in den Felsen und von Wanderung konnte kaum noch die Rede sein. „Konzentration“ war plötzlich das Kommando, Stefan und Jens kannten kein Pardon. Niemand sprach mehr ein Wort, jeder plante sorgfältig seinen nächsten Schritt. Das war kein Sonntagsspaziergang mehr! Schmale Felsvorsprünge, fußbreit nur, und links von uns 500 Meter steil abfallende Hänge. Dann: Geschafft! Weiter ging es bergauf über unmarkiertes Gelände, aber Stefan kannte den Berg wie seine Westentasche. Oben blies ein eisiger Wind, bei dem die Finger gefroren beim Versuch, sich in das Gipfelbuch einzutragen. (Wer es es nicht glaubt, dass wir oben waren, kann es nachlesen!) Der Wermutstropfen dieser herausfordernden Tour war ein tragischer Unfall eines italienischen Wanderers, der unglücklicherweise den Normalanstieg über teilweise loses Geröll mit Wanderstöcken bewältigen wollte - wo man doch seine Hände zum Festhalten brauchte! Der Rettungshubschrauber aus Salzburg brauchte eine dreiviertel Stunde, um zur Absturzstelle zu gelangen. Der Verunglückte trug wohl zahlreiche Verletzungen davon, war aber ansprechbar, wie sich Stefan und Jörg bei der ersten Hilfe, die sie leisten konnten, überzeugten. Berge sind schön, aber nicht zu unterschätzen!
Für die ganz unersättlichen „Berg-Verrückten“ (O-Ton Stefan) gab es regelmäßig Zusatzangebote: Der Weg zur Ochsenkarhöhe beispielsweise war für Malte, Patrick, Sebastian und Stefan natürlich lediglich das „warming-up": Sie wollten höher hinaus und wagten den Aufstieg zur Gamskarspitze weiter. Der Rest der Gruppe vergnügte sich beim Wespenfang-Sport (in Schi-Wasser-Gläsern) an der Pleschnitzalm. Als das nicht mehr spaßig genug war – und bevor jemand von den wildgewordenen Biestern gestochen wurde – schlenderten wir bergab, immer eine Hand in den Blaubeerbüschen – na, Vitamine braucht der Mensch schließlich auch.
Bei der Gipfeltour zum Höchstein waren lediglich Levon, Stefan und Jens eifrig und unerschrocken mit von der Partie (Elke hatte Glück, dass sie männlichen Beistand durch Malte und Mohsen beim vorzeitigen Abstieg von der unteren Filzscharte in Richtung Bodensee hatte, den gibt’s tatsächlich in Österreich.) Belohnung auch hier: Panoramen auf drei Seen auf unterschiedlichen Höhen: Bodensee, Hüttensee, Obersee.
Wir kommen bestimmt wieder, denn wie heißt es so schön? Der Berg ruft!
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