Rudern vor Rügen
August 2014, kein Tag unter Windstärke 6
Die Anreise am Freitag Abend erfolgt nach Neu-Mukran, direkt neben dem neuen Hafen von Saßnitz. Wolfgang und Beate sind schon seit ein paar Tagen mit dem Wohnwagen vor Ort. Der Rest wird in zwei Hütten auf dem Tannenhof, einer kleinen Ferienanlage knapp 200m vom Ufer entfernt einquartiert. Samstag früh laden wir die Boote am nahegelegen Sandstrand ab und machen uns südwärts auf den Weg. Der starke Südwestwind macht die Obleute schon nervös, aber westlich von uns liegt ja Rügen, so dass wir mit Windschutz rechnen. Schon bei Binz merken wir, dass der Windschutz äußerst löchrig ist. Die flache Bucht bei Binz sorgt für ordentlich Wellengang, erst die Steilküste bei Granitz schützt uns und macht das rudern angenehmer. Wir gehen dicht an die Steilküste immer mit nervösen Blick aufs Wasser. Die Seekarten waren vor weit vorgelagerten Steinen im Wasser. Vorbei an der prunkvollen Seebrücke von Sellin rudern wir aufs Nordperd zu, einem markanten, weit vorspringenden Kap, dem östlichsten Punkt von Rügen. Das Kap ist rudertechnisch nicht das Problem, die dahinter liegende große Bucht schon. Der Wind trifft uns mit großer Stärke und besonders der Zweier hat Probleme wieder nah ans Ufer zu kommen. Darüber hinaus ist die Bucht wohl recht flach, es gibt eklige kurze Wellen. Die Karte verspricht dann auch noch Steinfelder in der Bucht. Die Boote haben zu kämpfen. Direkt vor dem Südperd (südöstliches Kap) treffen sich alle Boote am Ufer und diskutieren, ob man weiterfahren sollte. Ein paar Leute erkunden die Lage hinter dem Kap und gegen Entwarnung: alles kein Problem”. Wir fahren weiter. Leider hatten die Kundschafter nicht begriffen, dass das Südperd eine Doppelspitze hat und sie nur um die erste Spitze herum gesehen hatten. Hinter der zweiten Spitze trifft uns der Westwind mit voller Härte, mehr als 2 m Wellen. Ein Boot kommt auf die nicht so gute Idde hinter einem künstlichen Wellenbrecher zu rudern. Leider bemerken wir erst sehr spät das man am Ende der Wellenbrecher, dann in eine riesige Brandungszone geraten würde. Also muss der E-Zweier durch eine ca. 8m breite Lücke in der Wellenbrecherfront heraus rudern um in tieferes Wasser zu kommen, tolles Gefühl, wenn direkt neben einem die Wellen an die Felsbrocken schlagen. Die ca. 20 Kite-Surfer die danach unser Fahrwasser queren sind da das geringere Probleme die Surfer weichen sehr rücksichtsvoll den Ruderern aus. Bei Windstärke 6 können die eindeutig besser navigieren als ein Ruderboot. Mit erstaunlich wenig Wasser im Boot gelingt es uns in die tief eingeschnittene Bucht “Ziecker See” zu rudern. Im Hafen von Thiessow können wir unsere Boote an einer Rampe heraus nehmen. Da heute der Landdienst mit im Boot saß müssen wir mit dem öffentlichen Nahverkehr zurück zu unserem Quartier nach Mukran fahren. Das Ergebnis sind für 27 km Fahrstrecke ein Gruppenticket von 67 Euro für 10 Leute, inklusive umsteigen irgendwo in der Pampa und Abzweige in jedes Dorf hinein. Rückfahrzeit 2,5 Stunden.
Am nächsten Tag fahren wir zwar mit den Autos nach Thiessow, um festzustellen, dass an ein Weiterrudern nicht zu denken ist. Inzwischen sind wir bei 8 Windstärken aus Südwest und genau aus der Richtung gibt es überhaupt keinen Windschutz. Wir stellen auf Kulturprogramm um. Wir parken die Autos bei Uwes Verwandschaft in Sellin (spart die horrenden Parkgebühren) und machen eine Wanderung zum Granitzer Jagdschloss, inklusive Aussichtsturm, nur für schwindelfreie Ruderer. Die Wege sind leider so für Touristen ausgebaut, dass von einer romantischen Waldwanderung nicht gesprochen werden kann. Kinderwagengeeignete, asphaltierte Waldwege. Immerhin begegnen wir Wald dem “Rasenden Roland”, einer Schmalspurdampfeisenbahn der Touristenattraktion der Insel. Angesichts der Buspreise, verzichten wir auf einer Fahrt mit der Eisenbahn. Ein Teil der Gruppe spaziert dann noch durch Sellin, runter bis zur Seebrücke. Interessant ist wie sich die Eispreise entwickeln. Am Stadtrand 80 Cent die Kugel, in der Stadt 1 Euro, auf der Seebrücke 1,20 Euro. Touristenrummel vom Allerhärtesten. Selbst unsere Girlies weigern sich in den Klamottenladen mit Namen “Aufhübschzone” zu gehen. Am Abend wir Ersatzfrau JiaJia abgeholt, wir müssten jetzt doppelt unterbesetzt rudern, aber an rudern ist überhaupt nicht zu denken.
Bei weiteren Sturm wird der Kulturausflug am Montag auf die Stubbenkammer verlegt. Wir fahren mit den Autos zum Parkplatz Hagen (9 Euro Parkgebühr pro Auto) und wandern durch den Wald zu den Kreidefelsen am Königsstuhl. Ein Teil der Gruppe nimmt die kurze Strecke, die jüngeren nehmen den Umweg entlang der Kreidefelsen. Der Umweg ist sehr zu empfehlen. Kaum andere Leute, tolle Ausblicke auf und von den Kreidefelsen. Am Besucherzentrum Königsstuhl treffen wir die anderen und können Dank eines nicht ausgewiesenen Gruppentarifs sogar halbwegs preiswert rein. Eigentlich dachte ich, dass es in Deutschland eine Pflicht gibt seine Tarife anzuschreiben. Schön, dass Maria angesichts der unverschämten Eintrittspreise einfach gefragt hat. Das Museum ist ganz nett, wenn auch völlig überlaufen. Die Aussicht vom Königsstuhl ist OK. Aber wenn man die benachbarte Viktoriasicht nimmt ist das genauso gut und die kann man ohne Eintritt genießen. Der Rückweg durch den Wald bringt heftige Regenfälle, aber wir haben ja Regenzeug in unseren Bootsbeuteln. Auf dem Rückweg stoppen wir noch in Sassnitz. Einige Teilnehmer besichtigen noch das vor Anker liegende U-Boot, alle versorgen sich mit Fischbrötchen.
Der nächste Sturmtag wird mit einem Autoausflug nach Stralsund begangen. Eigentlich wollten wir ins neugebaute Großaquarium. Angesicht des Wetter sind leider auch 10.000 andere Touristen auf diese Idee gekommen. Wir verzichten angesichts von Schlangen wie bei den britischen Kronjuwelen und gehen stattdessen ins alte Aquarium und in die Innenstadt.
Langsam macht sich Frust breit. Wieder stürmisch, aber der VL meint am Vortag eine Abendflaute bemerkt zu haben und will diese heute ausnutzen. Als wir gegen 18 Uhr mal wieder in Thiessow ankommen ist davon aber nichts zu bemerken, riesige Wellen schlagen an die Küste, an rudern ist nicht zu denken.
Donnerstag früh soll es endlich weniger werden. Die Inrigger starten früh, Stefan und Lingling warten mit dem E-Zweier auf Ersatzfrau Nirina, die direkt aus dem Familienurlaub in Bayern dazu stößt. Bereits drei Kilometer nach dem Start gibt das E-Boot auf. An der Steilküste des Mönchgut ist bei starkem Westwind kein Vorbeikommen. Die Inrigger kämpfen sich weiter bis zur Glewitzer Fähre und werden dort vom Landdienst abgeholt. Der VL entschließt sich, dass man es angesichts der Windrichtung schaffen könnte nach Mukran zurück zu kommen. Vor dem Südperd kassiert das E-Boot die eine oder andere Welle, trotz Wind schräg von hinten, aber danach kann man den Windschutz genießen, so dass die Rückfahrt zwar nicht entspannt ist, aber machbar. An der Seebrücke von Binz, kurz vor dem Ziel legt die Zweierbesatzung sogar noch zur Stärkung mit den obligatorischen Fischbrötchen an. Am Quartier kommen alle Mannschaften fast zeitgleich an.
Der nächste Rudertag ist wieder zweigeteilt. Die Inriggerbesatzungen werden zu den Booten gebracht und wollen bis nach Schaprode kommen. In Stralsund müssen sie abbrechen. Der Wind steht heute deutlich mehr auf West, so dass ein Weiterrudern nach Rügen nicht möglich ist. Die E-Zweier Besatzung läuft zu ihrem Boot und rudert weiter nordwärts. Allerdings ist die Bucht von Saßnitz diesmal richtig gefährlich. Die Wellen sind extrem hoch, so dass der eigentlich vorgesehene Sicherheitsabstand zu den Kreidefelsen nicht möglich ist. Wir retten uns unter den Windschatten der Stubbenkammer. Hier ist das Rudern sogar richtig angenehm. Allerdings nur solange bis man am Königsstuhl vorbei ist, hier endet der Windschutz, der Kurs geht auf exakt West. Bei Lohme rudern wir in einen pompösen, viel zu großen Schutzhafen herein und gönnen uns auf der Höhe der Steilküste ein Mittagessen in einem Fischrestaurant. Die restliche Strecke bis Glowe haben wir zwar Gegenwind, aber die Wellen sind nicht gefährlich wir rudern nah am Ufer. In Glowe legen wir an einem Strandstück im Hafen an, lagern unser Boot am Ufer und testen die örtlichen Eisdielen. Glowe hebt sich wohltuend von den Schick-Micki Badeorten die wir bisher gesehen haben ab. Keine riesigen Hotelanlagen, keine überteuerten Ramschläden. Am Abend werden wir vom Landdienst abgeholt.
Am nächsten Morgen wird zunächst die Zweierbesatzung nach Glowe gebracht. Die Inrigger sollen aufgeladen werden. Angesichts der Windrichtung sehen die Obleute keine Chance mehr noch weiter zu kommen. Der Frust ist groß. Der Zweier kämpft sich durch die riesige Sandbucht zum Kap Arkona. Die Wellen sind unangenehm hoch, und kurz. Aber wir schaffen es das Kap Arkona zu umrunden. Allerdings machen wir uns dann auf den Rückweg und legen in Vitt an. Von hier holt uns der Rest der Mannschaft am Abend ab.
Am Sonntag fahren wir wieder nach Stahnsdorf zurück. In der folgenden Woche gab es tagelange Windstille.
Das Fazit ist: Wenn man auf dem Meer rudern will, sollte man seine Fahrtplanung nur als grobe Absicht ansehen. Ob man die Strecke schafft ist völlig unsicher. Es hat keinen Sinn das Fahrtziel mit der Brechstange durchzusetzen.
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